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April 2005: "Alles selbst gemacht", Arbeiten aus 3 x 7 Jahren, Galerie Grünstraße in Berlin-Köpenick

Gerhard Oschatz: Rede zur Eröffnung der Ausstellung
„Erfahren kommt mit den Jahren“ ruft der Kuckuck im Zwölfminutenwald. Mit meinem Fahrrad war ich zwei Tage zuvor über den Lenker gegangen. So humpelte ich zum Vorgespräch über die Ausstellung in die Wilhelm-Guddorf-Straße in Lichtenberg. Franz Zauleck empfing mich mit großer Freude und einer gewissen Demut, die dieser Anlaß gebot. Wir umarmten einander. Ich setzte mich schwer und sagte: „Franz, Du bist ein starker Vater. Du hast Dein Haus in Ordnung gehalten. Das Werk steht!“ Franz seufzte bescheiden: „Ach Gerhard, es ist so schön, daß Du das sagst!“ Ich kenne Franz Zauleck schon lange – fast 20 Jahre. Wir gehörten zu der großen Familie des Berliner Verbandes und kamen aus der gleichen Tüte, der Kunsthochschule Weißensee. Ab und zu kreuzten sich unsere Wege – eher zufällig – auf den Fluren des Fernsehfunks. Wir waren uns sympathisch auf den ersten Blick und beachteten einander in der Arbeit – damals noch mit dem gewissen Abstand, den die Großstadt macht. Heute sind wir Freunde! Schon frühzeitig hatte sich Franz Zauleck einen guten Namen gemacht. Seine feinen, intelligenten Zeichnungen gefielen mir von Anfang an. Hell leuchtetensie im Grauputz der damaligen Gesellschaft. Bodecker, Hussel, Ensikat und Pfüller, Herfurth und Schreiber: Ich rechnete Franz Zauleck zu den Besten! Eigentlich war er ja Bühnenbildner. Er hatte das Deutsche Theater nach acht Jahren verlassen, den Schönemann, den Engelmann, die kollektive, die mühevolle Arbeit an dem festen Haus. Er arbeitete von nun an frei und losgelöst – gelegentlich nur noch für das Theater – als Grafiker daheim auf eigener Arbeitsbühne. Er zeichnete – was er schon immer gerne tat – für Bücher und Zeitschriften, vor allem für das „Magazin“ und schrieb – gleich mit Erfolg – die ersten Kinderbuchgeschichten. Das konnte gut so weitergehen ... bis 1989. Noch scherzten wir Monate nach dem Mauerfall in der Westberliner Galerie am Lützowplatz, daß es dem Fuilletonisten des „Tagesspiegel“ die Sprache verschlug. Das sollte sich ändern. Wir fielen ins Startloch!
Die Titelbilder des „Magazin“ – 13 wunderbare Cartoons hatte Franz Zauleck noch bis 1991 gemacht – wurden trotzig blickenden Covergirls geopfert. Der Fernsehfunk wurde getrennt entsorgt und die neuen Verleger aus Heidelberg und Minden schauten ratlos in unsere Mappen.
Schwere Zeiten auch für Franz! Es war aber auch eine Zeit, die uns enger verband. Wir gründeten die Gruppe „Irmgard“: Franz Zauleck, Frank Leuchte, Ulrich Schreiber und ich, weil wir unsere Arbeit schätzten und unsere Mütter Irmgard hießen. Nur Uli Schreibers Mutter nicht, dafür aber seine Tante! „Irmgard“ war die Gruppe ohne Wirkung. Der große Karikaturist Frank Leuchte ist bald gestorben – wir anderen riefen uns noch an. Wir nannten uns auch „Verein zur Verteidigung der Würde“. Das war zwar Ironie im Café Einstein, doch es hatte seinen Grund: Unsere geschützte Werkstatt war verschwunden und alles war mit Geld verbunden!
„Was man nicht kann ändern, muß man lassen schlendern“, sagt der kleine Koch im Zwölfminutenwald. „Nein, Nein, Nein“, widersprach Franz Zauleck. Er war ein energischer Mann und hatte Familie. Er kämpft sich nach dem verflixten Siebenten Jahr wieder in die Neue Zeit. Er macht wieder Bühnenbilder, z. B. für die Oper in Berlin, in Thüringen mit Bernd Weißig „Alice‘s Adventures Under Ground“ in Erfurt – ein wunderbar gelungenes Stück, das ich selbst gesehen habe. Er macht Hörspiel, illustriert traumhafte Kalender für PEIX und – das ist wichtig, ich komme noch darauf zurück – selbst verfaßte Buchprojekte für Kinder, unter anderem zur Anwendung in Schulen.
Also führt Franz Zauleck uns heute, in dieser Ausstellung, die recht erfolgreiche Bilanz der letzten 2 x 7 Jahre vor! Franz Zauleck ist ein philosophischer Kopf. Gern setzt er die Schiebermütze auf, die Krone des Intellektuellen. Er hat ein fröhliches Herz und steckt voller Ideen. In seinen Arbeiten fließen diese guten Eigenschaften zusammen. Als Schreiber und Zeichner ist er doppelt begabt: Ließe man die Worte weg – es würde reichen. Ließe man die Bilder weg – es würde reichen. Alles zusammen genommen kommen z.B. die schönsten Bücher heraus!
Die Uhr bleibt stehen, die Zeit nicht, wer Lust hat, hat auch Zeit! Von Anfang an geht es in Franz Zaulecks Bilderwelt seltsam verschlüsselt zu. Die Helden seiner Arbeit gaben sich zunächst recht unmodern. Ein nostalgischer Hauch wehte den Betrachter an. Sensibel war der Strich und süß das Licht. Elegante Wehleider waren da zu sehen mit hohen Hüten und langen Kleidern, die die Pointe trugen. „Eigentlich bist Du doch ein altmodischer Mensch“, sagte ich mal vorsichtig zu Franz. Bei aller Gegenwärtigkeit bist Du für mich doch irgendwie ein spätromantischer Poet.“
In der Tat steht Franz Zauleck der Bilderwelt des 19.Jahrhundert ziemlich nahe. Es interessiert ihn aber neben dem Idyll zunehmend das Phänomen des Widerspruchs, die dunkle Seite, die Flucht in märchenhafte Gegenwelten. Für das gemeine Auge unsichtbar sieht man sie alle sitzen auf der Kante seines Zeichentischs: Alice Caroll, die fromme Helene, Kai und Gerda, den fliegenden Robert und König Ubu mit seinen Käsemessersoldaten. Franz Zauleck ist in die Jahre gekommen. Die Fahne der Utopie ist eingerollt. Vorbei das hoffnungsvolle Träumen!
Die Verhältnisse sind die Verhältnisse: Es geht jetzt turbulenter zu! Wenn der Mond vom Himmel fällt, ist Schluss mit Lustig, oder der Spaß fängt erst richtig an! Es ist ziemlich was los in Franz Zaulecks neuen Büchern, im Zwölfminutenwald und auf der Sofakisseninsel!
Alle sind verrückt geworden. Seitenweise! Wer wenig kennt, staunt viel, ist da zu lesen. Es herrscht das absurde Prinzip! Jeder hat seinen eigenen Text. Manchmal geht es gut, aber meistens redet man aneinander vorbei! Eine kuriose Gesellschaft ist da versammelt. Es säuselt, quietscht und kracht: Röchelnde Nüsse, gute Kinder, die seufzende Frau Knösel, Fahrräder und Winkelbeine!
Das Szenar leuchtet in fröhlichen Farben. Das Bild macht Hochzeit mit der Schrift. Grafisch wirklich eine Pracht. Die Form ist spannender geworden! Simpel ist der lange Lulatsch gezeichnet, simpel wie seine Rede und – mit der Schere ausgeschnitten – kotzt das rote Krokodil Collagen haufenweise aufs
Papier. „Dumm ist verboten“, schimpft der kleine Koch. Das Dongel steht auf einem Bein. „Es meint“, sagt der Kuckuck, „daß man diesen Krempel lesen kann“.
Auch für die Schule , für den Ethik-Unterricht, wurden diese Bücher von Klett in Leipzig konzipiert – herzlich betreut von Frau Katja Eder, der Franz Zauleck bis heute in Dankbarkeit verbunden ist. Keine Häschenschule, keine schwarze Tafel. Lachen ist erlaubt! Der kluge Witz, der zärtliche Ton heilt nicht nur aufgeschlagene Knie, er hilft den kleinen Lesern auch, sich zurechtzufinden im verflixten Leben, im Durcheinander dieser Welt.
Erstmal schließe ich die Bücher und halte fest: Franz Zauleck hat nicht nur persönlich, es hat der Umfang seines Werks, es hat die künstlerische Qualität beträchtlich zugenommen.
Seine Studenten in Anklam und Berlin können wirklich froh sein, daß er ihr Lehrer ist. Er gibt rückhaltlos seine Erfahrung weiter und regt zu mutigen Projekten an. So kann er sich immer wieder selber prüfen und andere erproben lassen, was er in Zukunft vielleicht noch von sich selbst erwarten kann.
Ich bewundere Franz Zaulecks große Energie. Er wird bald 55 und ist voll auf der Höhe. Doch fühlt er sich – trotz seiner Erfolge – zu wenig ausgelastet. Denkt er an die Auftragslage verschwindet seine gute Miene und er sieht müde aus. Aber was erzähle ich: Franz hatte – kurz bevor ich ihn besuchte – ein neues Kinderbuch beendet: „Prinzessin Eierkuchen“, für einen Wiener Verlag. Er hielt mir eine große Zeichnung vor die Nase. Er war von seiner Bilderfindung, er war von sich total begeistert: „Siehst Du den Osterhasen dort, den Weihnachtszweig, den roten Keil, die Könige mit der Krone auf dem Kopf aus Altpapier?“ „Franz, ich muß jetzt aber leider los, mein Bein hochlegen“, unterbrach ich ihn. „Ich hoffe, ich habe mir soweit alles Wichtige gemerkt.“ „ Es wird schon“, meinte Franz. Wieder umarmten wir einander. Als ich aus dem Haus trat, packte mich doch der Zweifel. Ich drückte auf die Wechselsprechanlage: „Franz, kannst Du mir demnächst doch noch einen Katalog mitbringen zur Sicherheit? Aber lass mal, eigentlich reicht ja eine Arbeit von Dir aus, um über Dich zu sprechen.“
Franz krächzte zurück: „Aber bitte nimm nur eine von den Guten!“
(Rede von Gerhard Oschatz zur Köpenicker Ausstellung "Franz Zauleck: Alles selbst gemacht - Arbeiten aus 3 x 7 Jahren 1984-2005")

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